Interviewserie mit Bündnispartnern - Prof. Dr. Mark Jentsch

Vier Fragen an Professor Jentsch, wissenschaftlicher Koordinator der h2-well Initiative

Prof. Jentsch, Sie arbeiten am Institut für zukunftsweisende Infrastruktursysteme der Bauhaus-Universität Weimar und haben das WIR!-Bündnis H2-Well mit ins Leben gerufen. Welcher Gedanke stand am Anfang der Initiative und warum braucht es ein Bündnis wie H2-Well?

Die erste Idee zu H2-Well ist zu einem Zeitpunkt entstanden, als das Thema Wasserstoff noch nicht in aller Munde war. Im Gegenteil, am Anfang stand unter den Bündnispartnern die Feststellung, dass trotz des nachgewiesenen Potenzials der H2- und Brennstoffzellentechnologie für eine treibhausgasneutrale Zukunft zu wenig geschieht, um die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben. Für uns und unsere Partner, zumeist KMU, die schon lange im Bereich Wasserstoff aktiv sind, war damit klar, dass der Anstoß für einen wasserstoffinduzierten Strukturwandel von unten, aus den Regionen, kommen muss. Unser Ziel in H2-Well ist es, der Wasserstoffwirtschaft zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen, indem wir in einem Bottom-up-Ansatz Kompetenzen bündeln und gemeinsam wegweisende Projekte an den beiden Ausgangspunkten der Initiative, Sonneberg und Apolda, umsetzen. Auf diese Weise wollen wir in der H2-Well-Region zwischen Main und Elbe Fakten schaffen und zeigen, dass mit Wasserstoff klimaschädliche Emissionen z.B. in der Mobilität und in der Wärmeversorgung signifikant gesenkt werden können. Genau an diesen beiden Punkten werden wir daher auch mit zwei F&E-Projekten in Apolda und Sonneberg ansetzen.

Welche Rolle nimmt die Bauhaus-Universität im Bündnis ein?

Das Bauhaus-Institut für zukunftsweisende Infrastruktursysteme (b.is), an dem die Professur Energiesysteme angesiedelt ist, forscht an der nachhaltigen Transformation von Infrastrukturen der Bereiche Abfall, Wasser, Verkehr und Energie, deren intelligente Verknüpfung im Sinne der Sektorenkopplung zu einem geringeren Ressourcen- und Energieeinsatz beitragen kann. Wir arbeiten am b.is transdisziplinär an diesen Zukunftsfragen und auch H2-Well ist von diesem Prinzip geprägt: sektorenübergreifende Lösungen umzusetzen, die über das Element grüner Wasserstoff verbunden sind und zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. In H2-Well sind wir für die wissenschaftliche Koordination der Bündnispartner und deren Projekte verantwortlich. Zudem betreuen wir die strategische Fortschreibung des WIR!-Konzepts, das der Initiative zugrunde liegt und auf dessen Basis wir eine dezentrale grüne Wasserstoffwirtschaft in der Region etablieren wollen. Außerdem partizipieren wir an einem F&E-Projekt zur Entwicklung eines kompakten Wasserstoffversorgungssystems in Apolda, während sich die Professur Verkehrssystemplanung am b.is aktiv in Untersuchungen zum Markthochlauf einbringt.

Was bedeutet dezentral im Kontext der Wasserstoffwirtschaft? Worin sehen Sie das besondere Potenzial von dezentralen H2-Infrastrukturen?

Der Ansatz der dezentralen Wasserstoffwirtschaft setzt auf eine flächenwirksame Umsetzung von Wasserstoffinfrastrukturen, von der Unternehmen und Endverbraucher in den Regionen, Landkreisen und Kommunen profitieren. Das heißt, dass die Wertschöpfungskette H2-Systeme umfasst, mit denen Wasserstoff vor Ort mittels erneuerbaren Energien im Elektrolyse-Verfahren „grün“ erzeugt und lokal Anwendungen in der Mobilität, Industrie, Elektrizitätsnetzstabilisierung oder Wärmeversorgung zugeführt wird. Dies lässt sich gut in kleinen, dezentralen Strukturen realisieren. Dadurch werden Potenziale in der lokalen Wertschöpfung freigesetzt und die Energiewende aus den Regionen heraus vorangetrieben, da die örtlichen Voraussetzungen für die Sektorenkopplung besser berücksichtigt werden können.

Welche Maßnahmen müssten aus Ihrer Sicht als Nächstes umgesetzt werden, um eine Wasserstoffinfrastruktur mit Zukunft in Deutschland zu verwirklichen?

Im Sinne meiner vorangegangenen Ausführungen sollte der Fokus beim Thema Wasserstoff vermehrt auf die lokalen und regionalen Potenziale in Deutschland gelegt werden, statt, wie in der aktuellen Diskussion, vornehmlich auf den Import von grünem Wasserstoff und den H2-Bedarf der Industrie. Es gilt, Anreize für die Errichtung von Elektrolyse-Anlagen zu schaffen, auch für KMU, und die Entwicklung von ganzheitlichen Konzepten zur Wasserstoffversorgung auf der kommunalen Ebene zu fördern. Hierfür müssen auch Anpassungen auf der regulativen Ebene erfolgen, um z.B. den Strom für die Elektrolyse günstiger zu machen. Deutschland sollte nicht nur bei der Entwicklung der Technologie Vorreiter sein, sondern auch beim Markthochlauf Standards setzen.

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